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Euromosaik-Studie

Russisch in Litauen

  1. Allgemeine Informationen
    1. Sprache
    2. Geschichte, Geografie und Demografie
    3. Gesetzlicher Status und offizielle Politik
  2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen
    1. Schule
    2. Gerichtsverhandlungen
    3. Behörden und sonstige offizielle Stellen
    4. Massenmedien und Informationstechnologie
    5. Kunst und Kultur
    6. Wirtschaft
    7. Familie und sozialer Gebrauch der Sprache
    8. Die europäische Dimension
  3. Zusammenfassung

 

1. Allgemeine Informationen

1.1 Sprache

Russisch [russkij jazyk] ist eine eng mit dem Weißrussischen und Ukrainischen verwandte Sprache der ostslawischen Sprachgruppe innerhalb des slawischen Zweigs der indoeuropäischen Sprachfamilie. Dank erheblicher Anstrengungen des Universalgelehrten Lomonossow und seiner russischen Grammatik (1755) etablierte sich die moderne Standardsprache zur Zeit Puschkins (1799-1837). Die heutige russische Sprachgemeinschaft ist multiethnisch und über zahlreiche Staaten verteilt. Schätzungsweise sprechen 233 Millionen Menschen Russisch (ca. 164 Millionen als Erst- und 69 Millionen als Zweitsprache). In der Russischen Föderation sprechen etwa 119 Millionen Menschen Russisch als Erst- und 27,1 Millionen als Zweitsprache.

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1.2 Geschichte, Geografie und Demografie

Die Immigration von Russen nach Litauen setzte Ende des 17. Jahrhunderts ein. Weitere größere Migrationswellen fanden während der Zarenherrschaft, nach der russischen Revolution und während der Sowjetzeit statt. Nach der Wiedererlangung der litauischen Unabhängigkeit zogen einige Russen zurück in ihr Heimatland. Die meisten Russen leben in Vilnius, Klaipėda und Visaginas. Die Russen (219.789 laut Zensus von 2001) machen ca. 6,3 % der litauischen Bevölkerung aus.

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1.3 Gesetzlicher Status und offizielle Politik

Das litauische Gesetz über die Staatssprache sichert den Status des Litauischen im öffentlichen Leben. Im Amtsverkehr können auch andere Sprachen verwendet werden; entweder in Form von Übersetzungen oder – gemäß dem Gesetz über nationale Minderheiten (Artikel 4) – bei lokalen Behörden und Einrichtungen in Verwaltungseinheiten mit einer geschlossenen nationalen Minderheit neben der Amtssprache. Mit Artikel 37 der Verfassung und Artikel 1 des Gesetzes über nationale Minderheiten erhalten nationale Minderheiten das Recht, ihre Sprache zu pflegen, und sie gewährleisten, dass die Minderheitensprachen respektiert werden. Das Gesetz über die Staatssprache ermöglicht ethnischen Minderheiten, ihre Sprache in der Bildung, Kultur sowie im Radio und Fernsehen zu verwenden. Einige russische Organisationen betrachten es als ihre Aufgabe, die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen zu einem gewissen Grad zu gewährleisten.

Insbesondere die politische Organisation ‚Verband der Russen in Litauen’ [Lietuvos rusų sąjunga] und die Partei ‚Allianz der Bürger Litauens’ [Lietuvos piliečių aljansas] sehen sich als Vertreter der russischen Interessen. Drei Mitglieder des Verbands der Russen in Litauen sind Parlamentsabgeordnete auf der Liste der Sozialdemokratischen Koalition. Einige Vertreter dieser beiden Organisationen wurden in die Selbstverwaltungen von Vilnius und Klaipėda gewählt.

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2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen

2.1 Schule

Vor und kurz nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit gestaltete sich die Situation der russischen Minderheit hinsichtlich der Bildung viel besser als für andere Minderheiten in Litauen. Unter sowjetischer Herrschaft in Litauen (1945 – 1990) betrieben die Russen Vor-, Grund- und Sekundarschulen, an denen Russisch einzige Unterrichtssprache war. Hinzu kamen eine Reihe von Berufsschulen, Weiterbildungseinrichtungen und Hochschulen, an denen die russische Jugend in ihrer Muttersprache unterrichtet wurde. Seit der Unabhängigkeit sank die Zahl der russischen Schulen, teilweise aufgrund des Rückzugs von Russen in ihr Heimatland, teilweise aufgrund der insgesamt rückläufigen demografischen Situation, und weil Kinder aus gemischten, aber auch russischen, Familien jetzt oft Schulen mit Litauisch als Unterrichtssprache besuchen. Die Möglichkeit, Russisch an Schulen zu verwenden, wird durch das Gesetz über die Änderung des Bildungsgesetzes (2003) gewährleistet. Die russische Minderheit macht von diesen Rechten Gebrauch. Im Schuljahr 2003/2004 gab es 58 Schulen mit Russisch als Unterrichtssprache und eine Reihe von gemischten Schulen, an denen Russisch eine der Unterrichtssprachen ist (17 litauisch-russische Schulen, 18 russisch-polnische Schulen und acht litauisch-russisch-polnische Schulen). Im selben Schuljahr besuchten 465 Schüler russische Schulen (mit Russisch als Unterrichtssprache oder eine der Unterrichtssprachen an gemischten Schulen). Neben den öffentlichen russischen Schulen gibt es in Vilnius eine private russische Schule. Die beiden russischen Sonntagsschulen befinden sich in Vilnius und Alytus.

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2.2 Gerichtsverhandlungen

Artikel 8 des litauischen Gesetzes über die Staatssprache besagt, dass Gerichtsverhandlungen in Litauen in der Staatssprache erfolgen sollen. Prozessteilnehmern, welche die Staatssprache nicht beherrschen, wird kostenlos ein Dolmetscher gestellt.

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2.3 Behörden und sonstige offizielle Stellen

Laut Artikel 4 des Gesetzes über nationale Minderheiten ist die Minderheitensprache (lokale Sprache) neben der Amtssprache bei lokalen Behörden und Einrichtungen in Verwaltungseinheiten mit einer geschlossenen nationalen Minderheit zu verwenden. Statistiken zufolge wird von diesen Bestimmungen Gebrauch gemacht. Eine Umfrage von 1997 über „Ostlitauen und die Amtssprache“ offenbarte, dass ca. 55,6 % der Russen auch Russisch sprechen.

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2.4 Massenmedien und Informationstechnologie

Eine tägliche regionale russische Zeitung ist Klaipeda. Es gibt fünf russische Wochenzeitungen (Litovskij Kurjer, Obzor, Druzhba, Sugardas, V kazhdyj), drei russische Monatszeitschriften (Nasha kuchnia v Litve, Zhivonosnyj istochnik und Vilnius) sowie zwei unregelmäßig erscheinende russische Zeitschriften (Golos staroverov, Lad). Ferner wird die Monatszeitschrift Peremena auf Litauisch und Russisch veröffentlich, und die vierteljährliche Zeitschrift Jūra - More – Sea auf Russisch, Litauisch und Englisch. Darüber hinaus erscheinen folgende litauische Zeitungen in russischer Übersetzung: Respublika (täglich), Lietuvos Rytas, Ekspres nedelia, Golos Litvy, Šalčia (alle wöchentlich) sowie Švenčionių kraštas und Žeimenos krantai (beide zweimal pro Woche). Auch Werbung wird ins Russische übersetzt, und litauische Verlage geben Bücher (Romane und Poesie) auf Russisch heraus. Das litauische Ministerium für Bildung und Wissenschaft finanziert russische Schulbücher. Seit Erlangung der Unabhängigkeit wurden in Litauen mehr als 185 russische Schulbücher herausgegeben. Nur ein Teil der Schulbücher für russische Schulen wird in Russland gekauft.

Im ersten Programm des litauischen Radios wird täglich eine 30-minütige Nachrichtensendung auf Russisch ausgestrahlt. Neben dem öffentlichen Radio gibt es in Litauen private Radiosender, die Programme in den Minderheitensprachen Litauens ausstrahlen. Russkoye radio sendet rund um die Uhr russisches Programm. Der private Radiosender Znad Wilii strahlt täglich ein einstündiges russisches Programm aus, und das Leben der Russen in Litauen wird auch in Programmen des Radiosenders Vaivorykštė [Regenbogen] behandelt. Ferner sendet das Radio des russischen Kulturzentrums (Radio T, ein unabhängiger Radiosender) in Zusammenarbeit mit dem Fernsehen Programme von Radio Russlands – Nostalgie. Das Radiounternehmen Hansa sendet ebenfalls eigene Programme auf Russisch.

Im öffentlichen Fernsehen wird täglich die zehnminütige Sendung Vechernij Vestnik ausgestrahlt, und einmal die Woche das russische Programm Russkaya ulitsa. In Gebieten mit einem größeren Minderheitenanteil senden einige private Lokalsender Programme in der jeweiligen Minderheitensprache. Das Regionalfernsehen in Vilnius sendet das russische Programm Nedelia. Darüber hinaus produzieren Privatsender wie Kanal 11, Vilsat und Sugardas Nachrichtenprogramme auf Russisch oder Polnisch, und es besteht die Möglichkeit, über Relais Fernsehprogramme aus Russland zu empfangen.

Mit der finanziellen Unterstützung der Behörde für nationale Minderheiten und Litauer im Ausland sowie des Fonds für Presse, Radio und Fernsehen entwickelte die öffentliche Organisation ‚Russische Quellen’ ein Projekt für ein baltisches Archiv im Internet. Ziel des Projekts ist es, mit Hilfe moderner Technologien den Zugang zu Informationen über das Leben der Russen in den baltischen Ländern und Polen im 19. und 20. Jahrhundert zu erweitern und zu erleichtern.

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2.5 Kunst und Kultur

Viele Nichtregierungsorganisationen haben sich der Bewahrung des russischen Nationalbewusstseins und der Weiterentwicklung der russischen Kultur verschrieben. Derzeit gibt es 68 öffentliche russische Organisationen. Die meisten (d. h. 44) sind in Vilnius ansässig. Die übrigen befinden sich in anderen Städten. Zu den öffentlichen Organisationen zählen: Melos (Gesellschaft der Liebhaber der russischen Romantik in Litauen), Sozvuchije (Verband der Liebhaber der russischen Poesie und Dramatik), Malachite (Verband der Alytus-Sonntagsschule ‚Malachit’), der Kulturfonds der litauischen Russen, der Verband der Lehrer russischer Schulen, Zhivoj Kolos (Bildungsverband der litauischen Altgläubigen) und Slovo (christliche Bildungsgesellschaft Klaipėda). Verschiedene Organisationen wie ‚Die Muse’ (kreativer Verband russischer Kinder in Litauen) und Elena Tchudakovas internationaler Fonds für die Unterstützung junger Talente bemühen sich um Kontakte zwischen russischen Kindern.

Neben den öffentlichen Organisationen gibt es etwa 40 russische Amateurkunstgruppen. Einige davon sind in kleinen litauischen Städten unter der Leitung der lokalen russischen Schule tätig. Lehrer und Eltern der Schulkinder bilden den Kern dieser Gruppen. Ihre Aktivitäten haben zumeist einen kulturellen und pädagogischen Charakter: russische Poesie- und Romantikabende, Weihnachtsfeiern und Feste zu traditionellen russischen Feiertagen. Neben den russischen Künstlergruppen gibt es weitere Arten von Organisationen, z. B. Berufsverbände der Ingenieure, Bauleute und Lehrer.

Die älteste und einflussreichste russische Organisation ist das russische Kulturzentrum. Seit 1988 kümmert es sich um Veröffentlichungen in der Presse, Fernsehübertragungen und Rundfunksendungen, Musik- und Literaturabende, Ausstellungen über wichtige Persönlichkeiten der russischen Kultur, wissenschaftliche sowie soziakulturelle Konferenzen und Seminare. Das russische Kulturzentrum schuf einen unabhängigen Radiosender (das Radio des russischen Kulturzentrums), über den russische, weißrussische und ukrainische Programme ausgestrahlt werden. Dieses Projekt wurde im Rahmen des Programms für vertrauensbildende Maßnahmen des Europarats unterstützt. Das russische Kulturzentrum eröffnete ebenfalls eine russische Galerie und die Fachbuchhandlung ‚Das russische Buch’, um russische Literatur bekannt zu machen und den Einwohnern von Vilnius Zugang zu Fach- und Bildungsliteratur auf Russisch zu verschaffen.

Eine Reihe von Festivals trägt wesentlich zum russischen kulturellen Leben in Litauen bei: Tage der russischen Kultur (seit Anfang der 1990er Jahre jeden Herbst), das Festival der russischen Romantik, das Festival der slawischen Literatur und Volkskultur, das internationale Festival nationaler Minderheiten (Slavianskaja raduga – Slawischer Regenbogen) und das Kinder- und Jugendfestival Mūza [Die Muse].

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2.6 Wirtschaft

Es liegen keine Daten über den Gebrauch des Russischen in der litauischen Wirtschaft und Werbung vor.

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2.7 Familie und sozialer Gebrauch der Sprache

Schätzungsweise 96 % der Russen sprechen Russisch als erste Sprache. Aus dieser Zahl lässt sich schließen, dass die Weitergabe der Sprache von Generation zu Generation gesichert ist.

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2.8 Die europäische Dimension

Die Republik Litauen und die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik haben bilaterale Abkommen über die Grundlagen der zwischenstaatlichen Beziehungen unterzeichnet, in denen die effektiven Instrumente der Zusammenarbeit bezüglich der ethnischen Minderheiten und nationaler Beziehungen festgelegt sind. Bilaterale Verträge können auf der Website des litauischen Außenministeriums abgerufen werden.

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3. Zusammenfassung

Die Russen sind neben den Polen die größte Minderheit Litauens. Die 219.789 Russen in Litauen (6,3 % der Gesamtbevölkerung laut Zensus von 2001) schaffen es, die Weitergabe des Russischen als Erstsprache von Generation zu Generation zu gewährleisten. Schätzungsweise 96 % der Russen sprechen Russisch als Muttersprache. Die Weitergabe des Russischen wird durch seine Präsenz in den Medien, an Schulen und in verschiedenen Kulturorganisationen unterstützt. Auch die Verwendung des Russischen als Erstsprache durch andere nationale Minderheiten in Russland (Ukrainer, Weißrussen, Deutsche, Juden und andere) sichert die Stellung des Russischen in der litauischen Gesellschaft.

 

zuletzt aktualisiert: 27-10-2006