WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
de en fr  
Kontakt   |   Suche   
 


Euromosaik-Studie

Litauisch in Polen

  1. Allgemeine Informationen
    1. Sprache
    2. Geschichte, Geografie und Demografie
    3. Gesetzlicher Status und offizielle Politik
  2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen
    1. Schule
    2. Gerichtsverhandlungen
    3. Behörden und sonstige offizielle Stellen
    4. Massenmedien und Informationstechnologie
    5. Kunst und Kultur
    6. Wirtschaft
    7. Familie und sozialer Gebrauch der Sprache
    8. Die europäische Dimension
  3. Zusammenfassung

 

1. Allgemeine Informationen

1.1 Sprache

Litauisch (Autoglottonym: lietuvių kalba / lietuvišku) ist verwandt mit der lettischen Sprache. Sie zeichnet sich durch viele überlieferte altertümliche grammatische Formen aus, die sich zum Teil auch im Sanskrit wiederfinden; unter allen lebenden europäischen Sprachen ist Litauisch am nächsten mit dem indischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen verwandt. Besondere Verdienste um die Erforschung des Litauischen erwarb sich im 19. Jahrhundert August Schleicher, der als Philologieprofessor an der Prager Universität 1856/57 das erste wissenschaftliche Handbuch der litauischen Sprache in 2 Bänden veröffentlichte.

Seitenanfang

1.2 Geschichte, Geografie und Demografie

Die Bildung mehrerer politischer Unionen mit dem Großherzogtum Litauen (Union von Krewa 1385, Union von Horodło 1413 und Union von Lublin 1569) führte zur Polonisierung der ruthenischen und litauischen Bevölkerung in Polen. Der größte Teil war das historische Gebiet des Großherzogtums Litauens. Seine Einwohner gehörten verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen an. Die wichtigsten waren die Ruthenen (heute Weißrussen und Ukrainer), die sich zum byzantinischen Katholizismus bekannten. Die litauisch und lettisch sprechenden Bewohner lebten in den nördlichen Regionen. Wegen des traditionell großen polnischen Einflusses und der Tatsache, dass Polen Litauen beherrschten, waren die Polen normalerweise die Grundbesitzer in diesen Gebieten, obwohl sie nur in den Regionen von Wilna [Vilnius] und Gardinas [Grodno] die Mehrheit ausmachten. Der Gesamtprozentsatz der Polnisch sprechenden Einwohner im Großherzogtum Litauen lag ungefähr bei 15%. Der Anteil der Juden war etwa gleich groß. Während der Teilungen (1772-1795) wurde dieses Gebiet dem russischen Reich einverleibt.

Nach Zahlen der letzten Volkszählung 2002 rechnen sich 5.864 Einwohner zur litauischen Nationalität. Schätzungen unterschiedlichster Quellen beziffern die Litauer auf ca. 30.000 (Association For Civic Media 2003; Handbook on Contact Linguistics 1996). Die größte Anzahl der litauischen Bevölkerung (84%) lebt in der Provinz Podlachien im Amtsbezirk Puńsk [Punskas], im Amtsbezirk Sejny [Seinai] (38%) und etwas weniger im Amtsbezirk Szypliszki [Šipliskia]. Viele Litauer siedelten sich in der Stadt Suwalki an. Ein anderer Teil der polnischen Litauer verteilte sich während der Migration oder der Immigration über ganz Polen, insbesondere im nördlichen und südwestlichen Teil des Landes (Gdingen, Allenstein, Stettin und Breslau). Zahlreiche Litauer leben in der Hauptstadt Warschau.

Seitenanfang

1.3 Gesetzlicher Status und offizielle Politik

Im Artikel 35 der Verfassung ist der Erhalt und die Entwicklung der litauischen Sprache gewährleistet (vgl. Länderbericht).

Darüber hinaus gibt es einen bilateralen Vertrag mit der Litauischen Republik über gute nachbarschaftliche Beziehungen [Traktat między Rzecząpospolitą Polską a Republiką Litewską o dobrym sąsiedztwie, przyjaznych stosunkach i współpracy (1. Jan. 1992)].

Seitenanfang

2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen

2.1 Schule

Grundlage für den Gebrauch des Litauischen in der Schule ist das Dekret des Ministers für nationale Erziehung und Sport von 2002 (vgl. Länderbericht). Im Amtsbezirk Puńsk gibt es fünf Hauptschulen (in Punskas, Wojtokiemie/Vaitakiemis, Przystawańce/Pristavoniai, Nowininki/Navininkai und Widugiery/Vidugiriai), an denen in Litauisch unterrichtet wird. Je zwei solcher Schulen befinden sich im Amtsbezirk Seinai sowie in den Dörfern Krasnagruda und Krasnavas. In Punskas gibt es die einzige litauische Mittelschule in Polen - das Gymnasium Kovo 11-oji Puńsk. An mehreren Schulen des Amtsbezirkes Seinai, der Städte Seinai und Suwałki wird Litauischunterricht fakultativ erteilt. Etwa 800 Schülern wird der Unterricht in Litauisch erteilt (mit Ausnahme der allgemeinen Geschichte und der Geschichte Polens). 150 Schüler lernen hier fakultativ Litauisch. In Warschau gibt es eine litauische Samstagsschule. Die Adam Mickiewicz Universität in Posen besitzt einen Lehrstuhl für litauische Sprache, und seit 1990 gibt es einen Lehrstuhl für baltische Philologie.

Seitenanfang

 

2.2 Gerichtsverhandlungen

Es können bei Unkenntnis der polnischen Sprache litauischsprachige Dolmetscher angefordert werden (vgl. Länderbericht).

Seitenanfang

2.3 Behörden und sonstige offizielle Stellen

Da Polnisch die offizielle Sprache ist, spielt Litauisch keine besondere Rolle bei offiziellen Behörden – ebenso kaum auf lokaler Ebene, wenn, dann nur im inoffiziellen Umgang (vgl. Länderbericht).

Seitenanfang

2.4 Massenmedien und Informationstechnologie

Es gibt keine Tageszeitungen in litauischer Sprache. Aušra ist eine Zeitschrift in litauischer Sprache mit 1.500 Exemplaren. Litauische Themen werden nur vom polnischen Radiosender Białystok wöchentlich 30 Minuten gesendet. Litauische Radio- und Fernsehprogramme aus Litauen können von der Minderheit in Polen empfangen werden.

Seitenanfang

2.5 Kunst und Kultur

Von 1997 bis 2002 erschienen 15 Bücher in litauischer Sprache, im Jahr 2002 waren es drei Bücher und 2003 nur ein Buch. Die Bücher kommen meistens im Bereich Schulbücher, Kinderbücher und Novellen vor. In Punskas gibt es das Litauische Kulturhaus. Hier wirkt der gemischte Chor Dzukija, die Volkstanzgruppe Klumpe, das Tanzkunstensemble Jotva sowie ein Scheunentheater. Derzeit wird ein neues modernes Kulturhaus gebaut, aber wegen Mangels an Geldmitteln ist das Gebäude bereits das zehnte Jahr im Bau. In Seinai wurde das Litauische Kulturzentrum eröffnet, dessen Bau durch die Regierung Litauens finanziert wurde. Es gibt eine ganze Reihe von Jugendensembles (in den Amtsbezirken Punskas und Seinai. Eines der populärsten Ensembles ist das Vokalquartett Šešupe. Am Punskaser Gymnasium wirkt das Ensemble Ulbuoneles. Die litauische Gesellschaft für ethnische Kultur betreut vier ethnographische und Volkskunstensembles: Salcinelis, Alna, Gimtine und das ethnographische Ensemble Dusnycia. In Punskas gibt es ein Völkerkundemuseum, das von dem Ethnographen Juozas Vaina aus der Region Punskas gegründet wurde. Dank seiner Bemühungen wurden viele einzigartige Gegenstände gesammelt. J.Vaina gab eine Volkskunstsammlung Von Punskas bis Seinai in zwei Bänden heraus. Zusammen mit Sigitas Birgelis wurde das Album „Die materielle Kultur der Region Punskas-Seinai“ vorbereitet und veröffentlicht. Sąskrydis ist das jährliche traditionelle Folklorefest für litauische Gruppen aus Polen und Litauen.

Seitenanfang

2.6 Wirtschaft

Das Siedlungsgebiet der Litauer hat keine nennenswerte Industrie, sondern ist rural ausgerichtet.

Seitenanfang

2.7 Familie und sozialer Gebrauch der Sprache

5.838 Menschen geben in der Volkszählung von 2002 an, Litauisch auch als Heimsprache zu verwenden. Allerdings gehen die Einwohnerzahlen der litauischen Dörfer durch die schwache wirtschaftliche Situation der Region ständig drastisch zurück.

Die älteste litauische Organisation ist die Litauische Gesellschaft Polens [Lenkijos lietuvių draugija], die 1992 aus der litauischen öffentlichen Kulturgesellschaft umstrukturiert wurde. Die Tätigkeit der Gesellschaft umfasst die Gebiete Bildung, Kultur, Denkmalschutz und Verlagswesen. Seit 1960 wird die periodische litauische Druckschrift Aušra herausgegeben. Die litauische St. Kasimir-Gesellschaft [Šv. Kazimiero draugija], deren Zentrum sich in Seinai befindet, nahm am 25. Mai 1990 ihre Tätigkeit auf. Ziel der Gesellschaft ist es, die Traditionen der St. Kasimir-Gesellschaft, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Polen gewirkt hat, zu pflegen und fortzusetzen – das heißt die Jugend zu betreuen und zu erziehen. Die Gesellschaft hat 11 Abteilungen, die 458 Mitglieder vereinen. Die litauische Gemeinschaft Polens [Lenkijos lietuvių bendruomenė, LLB] wurde am 1. April 1993 aus der Taufe gehoben. Deren Entstehung und Bestimmung prädestinierten die in Polen zu jener Zeit eingetretenen Veränderungen. Die LLB vereint die im Lande wirkenden litauischen Organisationen, Bildungs-, Kultur- und andere öffentliche Institutionen und ist bemüht, deren Interessen in Polen, Litauen und in der Gemeinschaft der Litauer der Welt besser zu vertreten. Der Litauische Jugendverein [Lenkijos lietuvių jaunimo sąjunga] in Polen stellt einen strukturellen Bestandteil der LLB dar, der aber selbständig handelt. Die Litauische Gesellschaft für ethnische Kultur [Lenkijos lietuvių etninės kultūros draugija] wurde 1997 ins Leben gerufen.

Seitenanfang

2.8 Die europäische Dimension

Die Litauer aus Polen unterhalten enge Beziehungen zu Litauen. In der Sowjetzeit hatten sie Kontakte mit den Litauern aus dem Westen und bemühten sich, Information bzw. Druckschriften nach Litauen zu übermitteln.

Seitenanfang

3. Zusammenfassung

Aufgrund der ökonomischen und strukturellen Unterentwicklung und der auch seit 1989 weiterhin sehr schlechten wirtschaftlichen und z. T. auch schwierigen politischen Situation in den Siedlungsgebieten der Litauer in Polen ist deren Situation als prekär einzuschätzen, zumal die Geburten in diesen ländlichen Regionen rückgängig sind bzw. Abwanderungen stattfinden.

 

zuletzt aktualisiert: 27-10-2006