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Euromosaik-Studie

Ungarisch in der Slowakei

  1. Allgemeine Informationen
    1. Sprache
    2. Geschichte, Geografie und Demografie
    3. Gesetzlicher Status und offizielle Politik
  2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen
    1. Schule
    2. Gerichtsverhandlungen
    3. Behörden und sonstige offizielle Stellen
    4. Massenmedien und Informationstechnologie
    5. Kunst und Kultur
    6. Wirtschaft
    7. Familie und sozialer Gebrauch der Sprache
    8. Die europäische Dimension
  3. Zusammenfassung

 

1. Allgemeine Informationen

1.1 Sprache

Ungarisch [magyar nyelv] wird weltweit von ca. 14,5 Mio. Menschen gesprochen. Außer der Slowakei wird Ungarisch u.a. in Rumänien (1,6 Mio.) und Jugoslawien (341.000) gesprochen. Außerdem leben in den USA 447.000 und in Kanada 86.800 Ungarischsprachige. Genetisch gehört die Sprache zum finno-ugrischen Zweig der uralischen Sprachen und ist am nächsten verwandt mit dem Chantischen und Mansischen, die in Sibirien gesprochen werden. Dies ist auch ein Hinweis auf den geografischen Ursprung der Ungarn/Magyaren: im 6.-8. Jh. wanderten sie aus dem Wolgagebiet nach Westen. Das heutige ungarische Sprachgebiet weist nur wenige dialektale Unterschiede auf, die hauptsächlich auf der phonetischen Ebene liegen.

Das lange Zusammen- und Nebeneinanderleben der Ungarn und Slowaken hat beide Sprachen beeinflusst. Vor dem 18. Jh. beeinflusste Ungarisch die slowakische Sprache, während die Rollen später, besonders nach dem zweiten Weltkrieg getauscht wurden. Im heutigen Ungarisch in der SR sind deshalb auf verschiedenen sprachlichen Ebenen Slowakismen zu finden, die in Ungarn nicht verwendet werden. Die meisten Interferenzen kommen im Lexikon vor. Direkte Entlehnungen aus dem Slowakischen werden nur in der gesprochenen Sprache gebraucht. Noch häufiger sind wörtliche Übersetzungen aus dem Slowakischen, wodurch neue ungarische Wörter kreiert werden. Außerdem werden von den in der SR lebenden Ungarn solche Synonyme bevorzugt, die dem entsprechenden slowakischen Wort ähnlich sind. Diese gemeinsamen Elemente können auch zur Erleichterung der Verständigung benutzt werden.

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1.2 Geschichte, Geografie und Demografie

Die ungarische Volksgruppe, wie die meisten nationalen Minderheiten in der SR, gehört zum Typus der grenznahen Minderheiten und bewohnt Gebiete der heutigen SR schon seit dem 10. Jahrhundert. Jahrhundertelang bildete sie die Mehrheitsbevölkerung zuerst im ungarischen Vielvölkerstaat und später in der Österreich-Ungarischen Monarchie. Wie schon erwähnt wurde, änderten sich nach dem ersten Weltkrieg die Kräfteverhältnisse zwischen der slowakischen und der ungarischen Bevölkerungsgruppe radikal, da sich Ungarn von nun an in einer Minderheitenposition befanden (1921: 22% der Gesamtbevölkerung auf dem Gebiet der heutigen SR). Eine weitere Grenzverschiebung kam 1938, als die Südslowakei nach dem Wiener Vertrag von Ungarn annektiert wurde. Das annektierte Gebiet kam 1945 jedoch zurück an die neu gegründete Tschechoslowakei. Nach dem Krieg wurden durch eine Vereinbarung mit Ungarn 65.000 in der Tschechoslowakei lebende Ungarn gegen in Ungarn lebende Slowaken ausgetauscht. Weiterhin bekamen 340.000 Ungarn ihre slowakische Staatsbürgerschaft wieder, allerdings als ethnische Slowaken. Außerdem wurden 44.000 Ungarn aus der Slowakei in Tschechien als Arbeitskraft eingestellt. Seitdem ist der Anteil an Ungarn auf dem Gebiet der heutigen SR etwa um die 10% geblieben.

Laut dem letzten Zensus im Jahre 2001 betrug die ungarische Minderheit 520.528 Personen, d.h. 9,67% der Gesamtbevölkerung der SR. Als Ungarischsprachige deklarierten sich jedoch 572.929, was einem Anteil von 10,65% entspricht.

Auch heute noch ist die stärkste Konzentration der ungarischen Minderheit in der SR in ihren historischen Siedlungsgebieten an der 500 km langen slowakisch-ungarischen Grenze zu finden. Auf diesem ca. 9.000 qkm großen Territorium wohnen über 90% von den in der SR sesshaften Ungarn. In 523 Gemeinden und Ortschaften auf diesem Gebiet macht die ungarische Minderheit über 10% der Bevölkerung aus. Unter diesen 523 Gemeinden sind 425 solche, in denen die ungarische Volksgruppe sogar die Bevölkerungsmajorität bildet. In zwei von den acht Regionen der SR bildet sie eine über 20-prozentige Minderheit, in Neutra (27,6%) und Tyrnau (23,7%). Der Anteil der ungarischsprachigen Bevölkerung ist in Dörfern und kleineren Städten am größten, häufig höher als 70-80%, während sie in Großstädten unterrepräsentiert ist. Dies hängt damit zusammen, dass die von der ungarischen Volksgruppe bewohnten Gebiete in der SR traditionell einen landwirtschaftlichen Charakter haben. Die Migration in größere Städte, vor allem nach Pressburg , hat schon immer eine Rolle gespielt, was teilweise auch zur Assimilation mit der Majoritätsbevölkerung geführt hat. Vor allem nach dem ersten Weltkrieg verstärkte sich der landwirtschaftliche Charakter durch die Auswanderung großer Teile der ungarischen Intelligenz. Im Moment wächst jedoch die städtische Bevölkerung nicht, da in urbanen Gebieten Wohnungsmangel herrscht, was wiederum dazu beiträgt, dass auch ungarischsprachige Jugendliche in ihren Herkunftsregionen bleiben. So bleibt u.a. die Berufsstruktur der ungarischen Bevölkerung relativ unverändert.

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1.3 Gesetzlicher Status und offizielle Politik

Das wichtigste gesetzliche Dokument für die nationalen Minderheiten in der SR stellt das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen [Zákon o používaní jazykov národnostných menšín] von 1999 dar. Die ungarische, im Gegensatz zu vielen anderen nationalen Minderheiten in der SR kann von diesem Gesetz profitieren, da sie kompakt vor allem in den Regionen der Südwestslowakei lebt und dort in vielen Ortschaften die im Gesetz verlangte 20%-Hürde erreicht.

Von den staatlichen finanziellen Mitteln, die den nationalen Minderheiten bezahlt werden, bekommt die ungarische Minderheit als größte nationale Minderheit etwa die Hälfte der Gesamtmittel. Dies entsprach im Jahre 2000 für kulturelle Aktivitäten 9.631.000 SKK (48,1%). Bis zum Jahr 2002 war die Summe erheblich gestiegen: Dann erhielten ungarische Organisationen aus dem Fonds für Minderheitenaktivitäten insgesamt 39.142.300 SKK, davon 14 747.300 SKK für kulturelle Tätigkeit, 11.650.000 SKK für die periodische Presse und 12.749.000 für Bücher und sonstige gelegentliche Publikationen.

Die ungarische Minderheit ist die einzige in der SR mit Vertretern in der Regierung. Die MKP, seit 1994 eine Koalition aus drei ungarischen Parteien, erhielt in den Parlamentswahlen 2002 20 Mandate im 150-köpfigen Nationalrat. Außerdem hat sie drei Ministerposten, von denen der des Stellvertretenden Ministerpräsidenenten für Menschenrechte, nationale Minderheiten und Regionalentwicklung für die Minderheit am wichtigsten sein dürfte. Das Amt hat seit den Wahlen 1998 Pál Csáky inne. Außerdem ist der Minister für Naturschutz sowie der Minister für Bau und regionale und ländliche Entwicklung und Aufbau Vertreter der MKP. Im Jahre 2002 wurde in Pressburg eine ungarische föderalistische Partei [Magyar Föderalista Párt] registriert, die ihre Aufgabe darin sieht, für den rechtlichen ethnischen Schutz der ungarischen Minderheit in der SR zu sorgen - dies auf der Grundlage christlicher Werte.

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2. Präsenz und Gebrauch der Sprache in verschiedenen Bereichen

2.1 Schule

Das Recht auf Ausbildung in der ungarischen Sprache leitet sich von der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sowie vom Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen ab. Zusätzlich ist die o.g. Verwaltungsreform von 2002, als mehr Autorität auf die Schulen von der Bezirksebene übertragen wurde, für das ungarische Schulwesen in der SR von Bedeutung.

Im Schuljahr 2003/2004 gab es laut der Sprachgruppenkorrespondentin 274 ungarischsprachige (=Ungarisch als einzige Unterrichtssprache) und 95 ungarisch-slowakischsprachige (slowakisch- und ungarischsprachige Gruppen) Kindergärten. Die Anzahl ungarischsprachiger Primarschulen betrug im Schuljahr 2003/2004 256 und die der ungarisch-slowakischen 37. Ungarisch als einzige Unterrichtssprache gab es im Schuljahr 2003/2004 an 18 und zusammen mit dem Slowakischen an 8 Gymnasien. 80% der ungarischsprachigen Gymnasialschüler besuchen ungarischsprachige Gymnasien. Die ungarische Sprache ist generell auf der Primarstufe am stärksten vertreten und nimmt auf den höheren Stufen ab. Das Bewusstsein ungarischsprachiger Eltern hinsichtlich der Wichtigkeit einer muttersprachlichen Ausbildung hat in der ungarischen Minderheit in den letzten Jahren etwas zugenommen: der Anteil an ungarischsprachigen Schulanfängern in slowakischsprachigen Primarschulen sank von 27% in den 1990er Jahren auf 19,7% im Schuljahr 2001/2002. Immer noch fürchten jedoch manche Eltern, ihre Kinder wären in Minderheitenklassen überfordert, weshalb sie auf die Möglichkeit einer mehrsprachigen Ausbildung ihrer Kinder freiwillig verzichten.

In 8 Berufsschulen mit Abitur gab es nur Ungarisch als Unterrichtssprache, während es in 16 Schulen Klassen mit ungarischer und slowakischer Unterrichtssprache gab. 60% der ungarischen Schüler auf dieser Ausbildungsstufe besuchen Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache. Im Schuljahr 2003/2004 gab es 7 mittlere Fachschulen ohne Abitur mit Ungarisch als einzige Unterrichtssprache, in 23 Schulen gab es Klassen in beiden Sprachen. 50% der ungarischsprachigen Schüler an mittleren Fachschulen ohne Abitur besuchen ungarischsprachige Schulen. Allgemein muss zur Fachausbildung festgestellt werden, dass die steigende Anzahl der Berufsschulen eine ungünstige Wirkung auf die Erhaltung der ungarischen Sprache hat. Die Zahl der Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache zeigt eine abnehmende Tendenz auf und sie haben kaum moderne Spezialfächer eingeführt, was dazu führt, dass diejenigen Schüler, die diese Fächer studieren möchten, eine slowakischsprachige Schule wählen und dadurch die ungarische Fachterminologie nicht erlernen.

In der Slowakei gibt es bis dato nur (öffentliche) Universitäten und Hochschulen mit slowakischer Unterrichtssprache. An Universitäten, an denen die Lehrer für die Minderheitenschulen ausgebildet werden, wird ein Teil des Unterrichts auf Ungarisch erteilt. Diese bestehen aus dem Lehrstuhl für ungarische Sprache und Literatur an der Comenius Universität in Pressburg , dem Lehrstuhl für Hungaristik an der Konstantin Universität in Neutra sowie aus einigen anderen Lehrstühlen der Fakultät der mitteleuropäischen Studien der Universität in Neutra . Zusätzlich kann man die ungarische Sprache an der Matej Bél Universität in Banská Bystrica (Lehrstuhl für Hungaristik mit dem Profil Dolmetscher- und Übersetzerausbildung) studieren. Die Zahl der ungarischsprachigen Hochschulstudenten ist niedrig geblieben: Im Jahre 1990 studierten an öffentlichen Universitäten und Hochschulen in der Slowakei insgesamt 52.669 Studenten, davon 2.578 (4,9%) Ungarn. Bis 2002 ist die Gesamtzahl der Hochschulstudenten auf 97.932 gestiegen, bei Ungarn auf 4.456, die jedoch nur 4,6% aller Hochschulstudenten ausmachen. In den 1990er Jahren haben einige Universitäten und Hochschulen aus Ungarn in südslowakischen Städten (Duna-Szerdahely [Dunajská Streda], Sládkovičovo, Komorn [Komárom, Komárno], Kráľovský Chlmec und Kaschau ) Außenstellen eröffnet, an denen man u.a. Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Agrarwissenschaft und Pädagogik studieren kann (im Jahre 2002 1.216 Studenten). Diese Studenten bekommen jedoch in der Praxis ein Diplom einer ungarischen Universität oder Hochschule, die nicht ohne weiteres in der SR anerkannt werden. Am nichtstaatlichen János Calvin Theologischen Institut in Komorn kann man außerdem Theologie in ungarischer Sprache studieren. Dieses Institut wird zum größten Teil durch private Spenden finanziert, und die Diplome werden nur von der reformierten Kirche anerkannt. In der Stadt Komárno wird im September 2004 eine ungarische Universität gegründet. Die Universität soll aus einer pädagogischen, wirtschaftlichen und theologischen Fakultät bestehen und Unterricht vor allem in Ungarisch, aber auch in Slowakisch, Deutsch und Englisch erteilen. Die Verabschiedung des Gesetzes über die Gründung der Universität am 24.10.2003 hat Kritik erweckt, u.a. die Befürchtung, dass slowakische Studenten benachteiligt werden könnten.

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2.2 Gerichtsverhandlungen

Der Sprachgebrauch bei Gericht wird durch den Artikel 47 Abs. 4 der Verfassung geregelt, wonach jeder, der die Sprache der Gerichtsverhandlung nicht beherrscht, das Recht auf einen Dolmetscher hat. Sowohl im Zivil- als auch im Strafverfahren kann nach dem Gesetz die ungarische Sprache verwendet werden. In Hinblick auf die Verwendung von einer Minderheitensprache im Gerichtsverfahren weist das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen auf das Gesetz über Gerichte und Richter (1991) hin. Außerdem räumen das Zivilverfahrensgesetz (1992) und das Strafverfahrensgesetz (1992) die Möglichkeit zur Verwendung der Muttersprache in den jeweiligen Prozesstypen ein. Da jedoch Angehörige von Minderheiten slowakische Staatsbürger sind und die slowakische Sprache beherrschen sollten, entfällt für sie der Anspruch auf einen kostenlosen Dolmetscher, weshalb die Sprache einer Gerichtsverhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit Slowakisch ist, wenn der Richter kein Ungarisch beherrscht.

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2.3 Behörden und sonstige offizielle Stellen

Laut dem Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen können die nationalen Minderheiten ihre Sprachen in Ortschaften, in denen ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung mindestens 20% ausmacht, ihre Sprache in Kontakten mit den lokalen Behörden verwenden. Dies gilt auch für staatliche Einrichtungen. Außerdem können Straßen-, Orts- und andere Schilder auch in der Minderheitensprache aufgestellt werden. Für die ungarische Minderheit in der SR ist diese Regelung in dem Sinne bedeutend, da die Ungarn in 512 Ortschaften die 20%-Hürde erreichen (1999). Das Gesetz und die Praxis klaffen jedoch häufig auseinander, da die Mitarbeiter der Behörden nicht verpflichtet sind, die Minderheitensprache zu beherrschen und/oder zu verwenden. Die lokalen Behörden sind außerdem nicht verpflichtet, Schilder z.B. in der ungarischen Sprache aufzustellen, laut dem Gesetz können sie es. Die Einhaltung und Auslegung des Gesetzes bei Behördengängen sowie die zweisprachige Beschilderung sind häufige Konfliktquellen im slowakisch-ungarischen Sprachgebiet. In der Praxis hängt die Sprachwahl von der sprachlichen Zusammensetzung der Gemeinde und der Sprachkompetenz des Gesprächspartners ab. Wenn dieser Ungarisch beherrscht, wird die Sprache auch gesprochen, was jedoch eher ein Zufall ist. In kleineren Städten und Dörfern, in denen die Ungarischsprachigen in der Mehrzahl sind, ist der Gebrauch des Ungarischen prinzipiell in allen Bereichen möglich. Die staatlichen Verwaltungsorgane sind in Kreisstädten tätig, wo der Anteil der Slowakischsprachigen höher ist, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass man von einem ungarischsprachigen Mitarbeiter einer Behörde bedient wird, geringer ist. Bei Arztbesuchen wird häufig Slowakisch verwendet, da der proportionelle Anteil ungarischsprachiger Ärzte im Verhältnis zur ungarischsprachigen Bevölkerung niedrig ist.

Das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen ermöglicht die Aufstellung zweisprachiger Schilder in Gebieten, wo die ungarischsprachige Minderheit die 20%-Hürde erreicht. Ob die Beschilderung tatsächlich auch in der Minderheitensprache existiert, hängt stark von den Gemeinderäten ab. So sind der Name der Stadt und der Nachbarstädte auf Straßenschildern häufig nur in Slowakisch, während verschiedene städtische Einrichtungen bilingual beschildert werden (abhängig von der Zusammensetzung und Initiativkraft des jeweiligen Stadt- bzw. Gemeinderates). In der Regel sind die Schilder kleinerer Unternehmen wie Lebensmittel-, Schuh- und Kleidungsgeschäfte in der Südslowakei bilingual.

Es ist laut dem Gesetz über Namen und Vornamen (1993) sowie dem Gesetz zur Registrierung (1994) außerdem möglich, den Personennamen in einer Minderheitensprache zu führen. Das Gesetz hat vor allem bei weiblichen Familiennamen eine Bedeutung, da diese im Slowakischen normalerweise die Endung –ová erhalten. In der Praxis kommt es jedoch immer noch vor, dass die Endung von Behörden auch bei Angehörigen nationaler Minderheiten angehängt wird, wie vom Europarat bemängelt wurde.

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2.4 Massenmedien und Informationstechnologie

Das Angebot an ungarischsprachigen Printmedien ist relativ groß. Die Tageszeitung Új Szó [Neues Wort], http://www.ujszo.com hat eine Auflage von 43.000 und erreicht ca. 170.000 Leser. Vasárnap, die wöchentliche Beilage von Új Szó, hat eine Auflage von 86.000 Exemplaren und erreicht ca. 300.000 Leser. Új Szó ist wirtschaftlich unabhängig und erhält keine finanziellen Mittel von der Regierung der SR. Die Kosten werden hauptsächlich durch Verkauf (64%) und Werbung (30%) gedeckt. Außerdem gibt es seit 2002 eine slowakische Version des Boulevardblattes Blikk mit einer Seite Nachrichten in Ungarisch aus der Slowakei. Wöchentlich erscheinen u.a. Szabad Újság (Auflage: 21 000) mit dem Profil Politik, Kultur, Wirtschaft, Sport, Humor usw. und einer TV-Programmbeilage, die Familienzeitung Tücsök und Tábortűz. Zusätzlich zu diesen gibt es mehrere andere ungarischsprachige Zeitungen und Zeitschriften, literarische, pädagogische, religiöse, sowie Zeitschriften für Jugendliche, Kinder, Frauen usw. Außerdem sind in Ungarn erscheinende Zeitungen und Zeitschriften in den ungarischsprachigen Gebieten der SR verfügbar. In sprachlich gemischten Gebieten werden auch mehrere zweisprachige lokale Zeitschriften herausgegeben. Die meisten dieser Publikationen erhalten staatliche Zuschüsse. Z.B. erhielten ungarischsprachige periodische Zeitschriften im Jahre 2000 6.545.000 SKK (40,1% aller finanziellen Mittel zu diesem Zweck) und für nicht periodische Zeitschriften 6.840.000 (71,4%) von den Geldern des slowakischen Ministeriums für Kultur.

Im Slowakischen Fernsehen wurde im Jahre 1999 eine ungarischsprachige Redaktion gegründet. Im Jahre 2000 wurden im slowakischen Fernsehen wöchentlich 60 Stunden ungarischsprachiges Programm gesendet, u.a. montags bis freitags das ungarischsprachige Nachrichtenprogramm Hírek. Es gibt zahlreiche lokale Fernsehsender, die auch ungarische Sendungen produzieren. In den Siedlungsgebieten der Ungarn in der SR können auch Sendungen des ungarischen Fernsehens [MTV] empfangen werden. Eine Studie aus dem Jahre 1997 zeigte, dass 92% der befragten Ungarn in der SR sich über das MTV informierten. Auch der slowakische Hörfunk hat eine ungarischsprachige Redaktion, das Patria Radio, das für die wöchentlich ca. 54 Stunden Programm zuständig und unter www.slovakradio.sk/patria/ auch über das Internet verfügbar ist. Das Kernstück des Radioprogramms bildet die Musik-, Informations- und Unterhaltungssendung Pavilon, die montags bis freitags von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr empfangen werden kann. Außerdem gibt es u.a. sonntags eine religiöse Sendung. Auch Radiosendungen aus Ungarn können in der SR empfangen werden. Die Sendungen aus Ungarn werden sogar bevorzugt gehört, unter Jugendlichen besonders private Sender, vor allem das Radio Danubius und Sláger Rádió.

Das ungarischsprachige Medienangebot (Fernsehen, Radio, Zeitung) wird von der Minderheit aktiv wahrgenommen, wie die Sprachgebrauchserhebung gezeigt hat; über 80% der Befragten gaben an, bei diesen Medien die ungarische Sprache „häufig“ zu benutzen. Auch die Ergebnisse von Horváths Studie (2003) zeigten, dass die ungarische Minderheit in der SR sich vorwiegend aus ungarischsprachigen Medien in der SR informiert. Demgegenüber nimmt die Verwendung der slowakischen Sprache bei den „internationalen“ Medien Kino und Internet zu, da bei beiden die ungarische Sprache ca. ein Drittel und die slowakische eine knappe Hälfte ausmacht.

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2.5 Kunst und Kultur

Die Zahl der Publikationen in der ungarischen Sprache in der SR ist in den letzten Jahren stark gestiegen: von 163 Büchern 1997 auf 270 im Jahre 2003. In der (naturwissenschaftlichen) Fachliteratur überwiegt die slowakische Sprache, während in Belletristik, Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Geschichte, Soziologie, Politologie usw. auch in Ungarisch publiziert wird. Die wichtigsten Verlage in der SR, die ungarischsprachige Literatur herausgeben sind Kalligram (www.kalligram.sk, Belletristik, Gesellschaftswissenschaften, auch Übersetzungen; veröffentlicht auch slowakische und tschechische Bücher), Madách-Posonium (Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur, populärwissenschaftliche Bücher), AB-ART (Belletristik, Jugendliteratur), Lilium Aurum (www.liliumaurum.sk, Kinderbücher, Pädagogik, Belletristik usw.), Méry Ratio (Kunstbücher, Belletristik) und Nap Kiadó (Belletristik, populärwissenschaftliche Bücher). Schulbücher werden zumeist vom slowakischen pädagogischen Verlag Mladé letá-SPN veröffentlicht. Da es in der SR auch Bücher aus Ungarn zu kaufen gibt, veröffentlichen ungarische Verlage in der Slowakei z.B. keine Enzyklopädien oder Hobbybücher.

Die Musik und Bühnenkunst sind in der ungarischen Minderheit in der SR stark vertreten: Im Jahre 2003 gab es 150 Volkschöre, 65 Volkstanzgruppen, 35 Zitherngruppen und 14 Volksmusikkapellen. Es gibt außerdem eine halbprofessionelle Gruppe, die Ifjú Szívek. Sog. Weltmusik wird von der Volksmusikkapelle Ghýmes gespielt. Klassische Musik wird von einzelnen Kammerorchestern gespielt. Es gibt zwei professionelle Theatergruppen: das Jókai Theater [Jókai Színház] in Komorn mit 5–6 Premieren und bis zu 200 Aufführungen pro Jahr und das Thália Theater [Thália Színház] in Kaschau mit 4–5 Premieren und 150–160 Aufführungen pro Jahr. Außerdem gab es laut Csemadok im Jahre 2003 38 Amateurtheatergruppen. Die Theater- und Musikgruppen veranstalten jährlich mehrere Festivals. Außerdem gibt es zahlreiche andere ungarischsprachige regionale und lokale Festivals mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Csemadok organisiert järlich.ca. 10 überregionale und 100 lokale Veranstaltungen.

In der SR gibt es keine unabhängigen ungarischsprachigen Museen oder Bibliotheken. Es existieren jedoch slowakisch-ungarische Einrichtungen, u.a. die ungarische Abteilung im Museum an der Donau in Komorn sowie Regionalmuseen, z.B. das Csallóköz-Museum in Duna-Szerdahely , das Barsi-Museum in Levice, das Gömör-Museum in Rimavská Sobota und das Bergbaumuseum in Rožňava. Slowakisch-ungarische Bibliotheken und Archive gibt es u.a. in Duna-Szerdahely Dunajská Streda, Komorn Levice, Lučenec und Rožňava.

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2.6 Wirtschaft

Die Ungarn sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überrepräsentiert unter Arbeitern und Mitgliedern von landwirtschaftlichen Kooperativen und unterrepräsentiert unter Angestellten und akademisch Ausgebildeten. Nach dem Systemwandel ist jedoch der Anteil an Ungarischsprachigen, die in der Landwirtschaft tätig ist, auf 10% aller Ungarischsprachigen in der SR gesunken. Die Ungarn, die in der eigenen Kleinstadt oder dem eigenen Dorf arbeiten (wo zumeist die ungarische Sprache herrscht), können auch im Arbeitsleben die Sprache verwenden. Viele pendeln jedoch nach Pressburg und andere größere Städte, wo der Gebrauch des Ungarischen nicht oder nur begrenzt möglich ist. Der Lebensstandard der ungarischsprachigen Bevölkerung ist zumeist etwas niedriger als der der Gesamtbevölkerung. Die Gründe liegen vorwiegend in der ungünstigen Bildungsstruktur und am hohen Anteil der ländlichen Bevölkerung.

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2.7 Familie und sozialer Gebrauch der Sprache

Da der private Gebrauch der Minderheitensprachen durch kein Gesetz geregelt wird, können Ungarischsprachige in der SR ihre Sprache z.B. in der Familie ohne Einschränkungen gebrauchen, was sie laut Schätzungen zu ca. 70% auch tun. In slowakisch-ungarischen exogamen Ehen werden zumeist beide Sprachen oder nur die slowakische verwendet, da die nicht-ungarischen Ehepartner eher nicht dazu neigen, die ungarische Sprache zu erlernen bzw. sie zu verwenden. Das relativ niedrige Prestige des Ungarischen, das vor allem an dem niedrigeren sozioökonomischen Status und niedrigeren Bildungsniveau der Ungarn in der SR verglichen mit der Gesamtbevölkerung liegen dürfte, führt manchmal auch auf interpersonaler Ebene zu Problemen. Die Studie von Horváth zeigt, dass 2/3 der Befragten eine Abneigung aufgrund ihrer Muttersprache im Berufsleben oder in ihrer sonstigen Umgebung seitens der Majoritätsbevölkerung spüren. Außerdem wird die slowakische Sprache für wichtiger als die ungarische z. B. für den Beruf gehalten.

In der Kirche wird die Verwendung des Ungarischen durch den Mangel an Priestern mit Ungarischkenntnissen begrenzt. Über die Hälfte der Pfarreien der katholischen und evangelischen Kirchen im Siedlungsgebiet der ungarischen Minderheit sind unbesetzt. Hier soll u.a. durch die Gründung der theologischen Fakultät an der neuen Universität in Komorn (siehe oben) Abhilfe geleistet werden.

Das Organisationsgrad der ungarischen Minderheit in der SR ist hoch. Zusätzlich zu den Parteien gibt es 90 Vereinigungen, 26 Stiftungen, 14 Fonds sowie 1 allgemeine Wohltätigkeitsorganisation, die die Interessen der ungarischen Minderheit in der SR wahrnehmen. In der Datenbank des Forum Instituts wurden 1999-2001 sogar 651 ungarische Organisationen registriert. Von den Organisationen sei die auf dem kulturellen Gebiet wichtigste, CSEMADOK (http://www.csemadok-dsz.sk/index.php), die ungarische Sozial- und Kulturallianz in der Slowakei, erwähnt. Außerdem gibt es zahlreiche Jugendorganisationen, z.B. hat der ungarische Pfadfinderbund in der Slowakei 49 lokale Gruppen (www.szmcs.sk). Der Verband ungarischer Pädagogen in der Slowakei www.szmpsz.sk) organisiert Seminare, Fortbildungskurse, Studienreise usw. für Pädagogen. Die Katedra-Stiftung und Katedra-Gesellschaft (www.katedrafund.sk) organisieren Sitzungen, Tagungen, Seminare über aktuelle Fragen der Pädagogik, Erziehungswesen und Bildungssystem, organisieren Wettbewerbe in der ungarischen Sprache für Schüler und Studenten und geben die pädagogische Zeitschrift Katedra heraus. Das Forum Institut (www.foruminst.sk) mit mehreren Abteilungen (Dokumentation, Bibliothek, soziologische Forschungen usw.), die Mercurius- gesellschaftswissenschaftliche Forschungsgruppe (Demographie, Soziologie, Historiographie, Geschichtswissenschaft, Soziolinguistik), Center for Legal Analysis bei der Kalligram-Stiftung (www.cla.sk; rechtliche Analysen) und der Gramma-Verein (www.gramma.sk) führen u.a. Forschungsprojekte über die ungarische Sprachgemeinschaft in der Slowakei durch. Die Publikationen sind zumeist in ungarischer Sprache, welches zur Position des Ungarischen als Wissenschaftssprache beiträgt.

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2.8 Die europäische Dimension

In der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten, die die SR 14.9.1995 ratifizierte, wird die ungarische Minderheit unter den 11 nationalen Minderheiten erwähnt. Die SR hat die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen im Falle des Ungarischen in allen drei Teilen ratifiziert.

Am 19.3.1995 wurde zwischen der SR und Ungarn das Abkommen über Gute Nachbarschaft und Freundliche Zusammenarbeit unterzeichnet, das u.a. Bestimmungen über Gebiete der Zusammenarbeit (Wirtschaft, Handel, Landwirtschaft, Wissenschaft usw.) enthält. Die Unantastbarkeit der Grenzen wird außerdem festgehalten. Im Artikel 15 gibt es Bestimmungen zum Schutz und über Rechte der ungarischen Minderheit in der SR und der slowakischen Minderheit in Ungarn.

Im Juni 2001 wurde vom ungarischen Parlament das sog. Statusgesetz angenommen, das bestimmte Rechte den im Ausland lebenden Ungarn zusicherte, u.a. eine schnelle, unbürokratische Einreise nach Ungarn, ein dreimonatiges jährliches Arbeitsrecht in Ungarn sowie verschiedene Vergünstigungen im Kultur-, Gesundheits- und Bildungsbereich. Das Gesetz stieß sowohl in der Slowakei, die sich in ihrer staatlichen Souveränität verletzt sah, als auch europaweit auf scharfe Kritik und drohte sogar den Beitritt Ungarns in die EU zu gefährden. Die Slowakei und Ungarn einigten sich auf einen Ersatz am 23.12.2003, in dem sie die gegenseitige Unterstützung der nationalen Minderheiten in beiden Ländern vereinbarten, u.a. durch finanzielle Hilfe für Kultur- und Bildungsangebote durch jeweilige Stiftungen in beiden Ländern.

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3. Zusammenfassung

Die Lage der ungarischen Sprache ist im Vergleich zu der der anderen nationalen Minderheiten in der SR relativ gut. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Ungarn in vielen Ortschaften vor allem in der Südwestslowakei stark vertreten sind, sogar die Bevölkerungsmehrheit bilden. Dadurch können sie eventuell einen stärkeren Einfluss z. B. in Schulfragen ausüben. Auch auf der nationalen Ebene sind die Ungarn mit den 20 Parlamentsabgeordneten und 3 Ministern stark vertreten. Ein Defizit ist der fortwährend niedrigere Status des Ungarischen im Vergleich zum Slowakischen. Ein Problem besteht außerdem in der sozioökonomischen Situation der ungarischsprachigen Bevölkerung, u.a. in ihrem verhältnismäßig niedrigeren Ausbildungsniveau und Urbanisierungsgrad. Die Gründung der Universität in Komorn könnte hierbei einen Beitrag leisten, indem sie der ungarischsprachigen Bevölkerung eine Universitätsausbildung in ihrer Muttersprache im eigenen Land ermöglicht und somit eventuell auch zur Erhöhung des Status des Ungarischen beiträgt.

Die Bevölkerungsstatistiken weisen seit dem zweiten Weltkrieg zwar auf einen prozentuellen Rückgang der ungarischen Bevölkerung in der SR hin, der jedoch nicht als dramatisch zu bewerten ist. Auch nicht zur Zeit des Kommunismus oder der nationalistischen Regierung Anfang der 1990er Jahre sind die Angaben zur ungarischen Nationalität in der SR drastisch gesunken. Eine leichte Zunahme des ethnischen Bewusstseins ist u.a. in der zunehmenden Neigung ungarischsprachiger Eltern zu sehen, ihre Kinder in ungarischsprachige Schulen zu schicken. Vor allem in den slowakisch-ungarisch gemischten Gebieten in der SR leben die beiden Volksgruppen zumeist friedlich miteinander. Eine Konfliktquelle scheint jedoch die Einhaltung des Sprachgesetzes zu sein, da die Praxis (de facto) vom Gesetz (de uire) häufig abweicht

 

zuletzt aktualisiert: 27-10-2006