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Polit-Star Sepp Daxenberger Der grüne Guerillero

Er hat den Krebs besiegt und jetzt die CSU im Visier. Bayerns Grünen-Chef Daxenberger ist der schillerndste Politiker seiner Partei: Biobauer, Bürgermeister mit Dreiviertel-Mehrheit im schwarzen Stammland - und bald Becksteins Gegenspieler.

Waging am See - Im Rathausflur hängt die Ahnengalerie. Gerahmt und hinter Glas, Portrait neben Portrait, die Bürgermeister der Marktgemeinde Waging, hinten im Chiemgau, kurz vor Salzburg, 6500 Einwohner. Die Gesichtszüge hinterm Glas sind hart, die Oberlippenbärte exakt gestutzt. Am Ende der Reihe hängt das Bild eines großen Gesichts mit Grinsen und mächtigem Fusselbart. Das ist der Daxenberger Sepp.

Hinter der Tür rechts neben seinem Porträt sitzt der 45-Jährige im Bürgermeisterstuhl, seit 1996 ist er im Amt. Dunkelblaue Jeans, Holzfällerhemd, die obersten zwei Knöpfe offen. Bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren haben ihn die Waginger wieder gewählt. Mit 76 Prozent. Das ist ja nicht unüblich in diesem schönen und erzkonservativen Landstrich. Da werden die Politiker üblicherweise mit satten Prozenten gewählt. Nur sind sie eigentlich immer bei der CSU.

Sepp Daxenberger ist bei den Grünen.

Bei seiner ersten Kandidatur haben sie ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen, die Schwarzen, erinnert er sich. Den Peter Gauweiler haben sie aus München geschickt, damals noch CSU-Umweltminister und treuer Stoiber-Vasall. "Was die Grünen wirklich wollen", hieß die Veranstaltung der Christsozialen. Aber Daxenberger war da schon im ganzen Dorf nurmehr der Sepp.

Die Kruzifixe hängen noch

"Die kennen mich hier seitdem ich sooo bin", sagt Daxenberger und hält den flachen Handteller nur knapp über den Boden. Im Ortsteil Nirnharting betreibt er einen Bio-Bauernhof, mit 15 Hektar Land. Weil sie Daxenberger schon als kleinen Bub kannten, haben die Waginger die schwarze Propaganda nicht geglaubt: Nicht die Sache mit der Sozialisierung der Industrie, nicht das mit den Kruzifixen, die der erste grüne Bürgermeister Bayerns sicher von den Wänden reißen würde.

"Ich bin doch kein linker Chaot", sagt Daxenberger, öffnet die breiten Lippen und lässt kraftvoll ein hölzernes Ha-Ha-Ha hervordringen. "Im Fußballverein bin ich, in der Freiwilligen Feuerwehr auch, na also." Elf Jahre später hängen noch alle Kruzifixe im Dorf und in Daxenbergers Amtsstube ein goldenes Kreuz über dem Türrahmen: "Ich bin regelmäßiger Kirchgänger, das hat schon seine Berechtigung." Er nimmt einen großen Schluck Wasser. Direkt aus der Flasche.

Der Mann ist gelernter Schmied. Der kann zulangen. Die CSU in Waging hat er besiegt und die Freien Wähler auch. Die Grünen sind seit 2002 sogar stärkste Fraktion im Gemeinderat. Die SPD gibt es nicht mehr.

Dann kam der Krebs

Ein Grüner, der auf dem Land die Schwarzen das Fürchten lehrt? Das Parteivolk ist stolz auf Daxenberger. Neben Agrarminister Horst Seehofer, Bald-Bayern-Premier Günther Beckstein und München-OB Christian Ude gehört der Bürgermeister des kleinen Waging heute zu den beliebtesten Politikern im großen Bayern. 2002 wählten ihn die Grünen zum Landesvorsitzenden, 2003 erreichten sie mit 7,5 Prozent ihr bisher bestes Landtagswahlergebnis im Freistaat.

Und dann kam der Krebs.

Aus dem Einmeterneunzig-Mannsbild hat er einen schmächtigen Menschen gemacht, der beim Gehen leicht hinkt und den Rücken nach vorne gebeugt hält. In die erste Etage des Rathauses fährt er mit dem Aufzug. Es war ein Plasmozytom, eine Mischung aus Leukämie und Knochenmarkkrebs, das ihm vor vier Jahren diagnostiziert wurde. Nach Chemotherapie und der Behandlung mit eigenen Stammzellen schien der Politiker gegen den Krebs zu siegen. Der Rückfall kam im Sommer 2006. Wieder Chemo, wieder Stammzellentherapie. Diesmal mit Spender-Material.

Und die Politik ließ ihn nicht los. Vom Krankenbett aus kandidierte er per Videobotschaft erneut für den Parteivorsitz, mit 92 Prozent wurde er wiedergewählt. Schwarze Verhältnisse bei den Grünen.

Sepp Daxenberger besiegte den Krebs ein zweites Mal. Geheilt sei er nicht, aber die Krankheit sei gestoppt: "Pass' mal auf, lieber Krebs", habe er sich gedacht, "ich bin zu ehrgeizig und zu eitel zum Sterben, ich will noch was erreichen im Leben." Das sei doch ein guter Grund gewesen, "um mit Volldampf gegen die Krankheit anzukämpfen".

Wie Daxenberger die CSU mit Guerilla-Taktik attackieren will und sich einst der Jungen Union entzog

Und nun soll es mit Volldampf gegen die CSU gehen. Denn im April ist Schluss in Waging, Daxenberger kandidiert nicht noch einmal für den Bürgermeisterposten. Er will nach München in den Landtag: "Ich will dabei sein, wenn der Verfall der CSU beginnt." Im Herbst sind Landtagswahlen. Und aus dem schmächtigen Sepp Daxenberger des Sommers 2007 spricht längst wieder der Mann mit dem mächtigen Fusselbart: "Ich kämpfe dafür, dass die CSU unter 50 Prozent kommt". Und dann? "Dann sind wir bereit, wir wollen Verantwortung übernehmen." Daxenberger will in die Regierung.

In die Regierung eines Landes, das aktuell mit schwarzer Zwei-Drittel-Mehrheit regiert wird. Dessen Sozialdemokratie gerade ihr 50. Oppositionsjubiläum feiert. Dessen CSU bis hinein in die Kegelclubs und Schützenvereine dominiert. Genau. Dafür hat Daxenberger offensichtlich so eine Art Guerilla-Taktik entwickelt. Die kleinen Grünen schlagen die große CSU unter flexiblem Einsatz derer Waffen: Nähe zum Menschen, mehrheitsfähige Themen, Idee vom Original und der Volkspartei.

Daxenberger will ran an die Leute: "Wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind." Er denkt an die Freiwillige Feuerwehr und den Fußballclub: "Ich will als Person das Volksmäßige vertreten, dieses 'Ich-bin-einer-von-Euch'." Mit Botschaften allein komme man nicht weit: "Da hilft kein Programm, wenn du ein Ekel bist." Deshalb sei "das beste Medium der Mensch und nicht ein Stück Papier". Er könne "den bayerischen Grünen als Person helfen".

Außerdem seien die Themen der Grünen heute mehrheitsfähig. Man solle doch einmal an Gentechnik und Bildung denken. Und dann natürlich der Klimaschutz. Das aber hat auch die CSU erkannt. Während Daxenberger um die schwarze Wählerschaft buhlt ("Ich bin für CSUler kompatibel"), macht anders herum der christsoziale Generalsekretär Markus Söder seit Monaten auf Öko und spricht vom Klima. Daxenberger winkt ab: "Nicht gefährlich für uns, das ist eher eine Abwehrschlacht gegen uns Grüne, doch die Leute werden das Original wählen." Die Sache mit dem Original ist eigentlich ein altbekannter CSU-Spruch. Der grüne Guerillero setzt ihn gegen seine Erfinder ein.

Bleibt noch die Idee von der Partei fürs ganze Volk: Um gegen die Volkspartei CSU anzukommen, müssten die Grünen "breitere Bevölkerungsschichten als bisher ansprechen". Man müsse den CSU-Wählern "die Angst vor den Grünen nehmen". Daxenberger nimmt einen kräftigen Schluck aus der Wasserpulle: "Ich hab' in Waging bewiesen, dass wir mehrheitsfähig sind."

Einst wollte ihn die Junge Union

Die CSU hat die Gefahr des Mannes Daxenberger früh begriffen. Nicht erst, als sie Umweltminister Gauweiler losschickte. Die Junge Union fragte beim Daxenberger Sepp schon Ende der siebziger Jahre an, ob er denn nicht vielleicht bei ihnen mitmachen wolle. Seine Themen nämlich, die seien ja sehr interessant. Der 16-jährige Daxenberger hatte gerade ein "Forum Ökologie" mitgegründet.

Er machte dann schließlich lieber bei den Grünen mit. Eigentlich habe er parteifern als "Graswurzelrevolutionär" arbeiten wollen, immer ran an die Menschen, Veranstaltungen, Vorträge, Ausstellungen und so. Nachdem die Partei aber die 82er Landtagswahl versemmelt hatte, da sei er hin und habe gesagt: "Bei Eurer Pressearbeit – kein Wunder!" Kurz darauf war er der Pressesprecher des Kreisverbands.

Daxenberger ist ein unkonventioneller Typ: Das trifft auf seine Bio-Landwirtschaft zu, doch mehr noch auf die Politik. Der Grüne vom Land könnte bei entsprechenden Mehrheiten eine schwarz-grüne Koalition eingehen, sagt man. Weil er doch so gut kann mit den Schwarzen. CSU-Vordenker Alois Glück etwa besuchte ihn mehrfach am Krankenbett, bei Bierzeltfeiern sitzen sie gern ratschend beieinander. Und Daxenberger sagt: "Jede demokratische Partei ist koalitionsfähig." Aber die CSU, na ja, die sei nicht sein Traumpartner, so verfilzt und verzogen durch die absoluten Mehrheiten. Er will nicht mit der CSU koalieren, er will ihre Wähler. Und weil es wegen der immer schwachen SPD nicht zu Rot-Grün reiche ("Das ist in Bayern gestorben"), benötige man bürgerliche Bündnispartner, etwa die Freien Wähler.

Klar komme es letztlich auf die Inhalte an, aber irgend jemand müsse "einfach mal Schwarz-Grün ausprobieren", wegen der zusätzlichen Optionen. Sollen die Saarläner oder Berliner oder Niedersachsen mal machen. Und wenn es doch auf Bayern hinausläuft? "Sollten wir die ersten sein müssen, das wär' schon hart", sagt Daxenberger und lässt ein kräftiges Ha-Ha-Ha folgen.

Es ist jetzt nicht so eindeutig, für welchen der potenziellen Partner eine Koalition wohl härter werden würde.

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